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2.11.2025
FlexKapG

FlexCo: Die „Anwaltliche Privaturkunde“

Allgemeines

Bei der Erstellung "Anwaltlicher Privaturkunden", wie sie für FlexCos  

  • für die Übertragung von Geschäftsanteilen,  
  • für Vorverträge, Abtretungsanbote und Optionsverträge für Geschäftsanteile sowie  
  • für Übernahmserklärungen anlässlich von Kapitalerhöhungen  

gesetzlich zugelassen sind, gab es - was die formalen Voraussetzungen betrifft - in der Literatur unterschiedliche Meinungen.  

Dies betrifft etwa die Frage,  

  • ob ein "Ferngeschäft" zulässig ist, wenn zwischen Rechtsanwalt und Partei wenigstens eine akustische und optische Zweiwegverbindung in Echtzeit besteht, oder  
  • ob alle Vertragsparteien gleichzeitig und persönlich beim Rechtsanwalt anwesend sein müssen;  
  • falls der Vertrag durch Bevollmächtige geschlossen werden soll, ob eine beglaubigte Vollmacht benötigt wird oder ob eine schriftliche oder vielleicht sogar eine mündliche Vollmacht ausreicht;  
  • Ferner stellt sich die Frage, unter welchen Umständen ein Rechtsanwalt von der Erstellung einer anwaltlichen Privaturkunde ausgeschlossen ist.

Änderung und Ergänzung der Richtlinien für die Berufsausübung (RL-BA 2015)

Die Vertreterversammlung des Österreichischen Rechtsanwaltskammertrages hat am 26.9.2024 eine Änderung und Ergänzung der Richtlinien für die Berufsausübung (RL-BA 2015) beschlossen und § 11a RL-BA neu eingefügt, die wie folgt lautet:  

"§ 11a. (1) [Verpflichtungen des Rechtsanwalts bei Errichtung einer anwaltlichen Privaturkunde:] Der Rechtsanwalt ist bei der Errichtung einer Urkunde gemäß § 10 Abs 4 RAO verpflichtet:

a. die Identität der Parteien durch einen amtlichen Lichtbildausweis und unter sinngemäßer Anwendung des § 8b Abs 2 und 3 RAO zu überprüfen. Sofern es sich bei der Errichtung der Urkunde um ein Geschäft gemäß § 8a Abs 1 RAO handelt, sind zusätzlich die §§ 8a ff RAO in jedem Fall zu beachten.

b. die von ihm oder von berufsmäßigen Parteienvertretern gemäß Abs 4 vorgenommenen Belehrungen in der Urkunde selbst zu dokumentieren.

c. dafür Sorge zu tragen, dass die Partei die Urkunde vor ihm entweder persönlich oder durch unmittelbaren Kontakt mittels einer akustischen und optischen Zweiwegverbindung in Echtzeit unterfertigt. Die Urkunde ist in Schriftform an den Rechtsanwalt zu übermitteln. Eine zeitgleiche Unterfertigung oder eine Unterfertigung durch alle Vertragsparteien auf derselben Urkunde ist nicht erforderlich.

(2) [Ausschluss des Rechtsanwalts von der Errichtung einer anwaltlichen Privaturkunde:] Der Rechtsanwalt darf

a. in Sachen, an denen (i) er selbst, (ii) eine Rechtsanwalts-Partnerschaft oder Rechtsanwaltsgesellschaft mit der er verbunden ist oder (iii) eine Person, mit der der Rechtsanwalt in einer Rechtsanwalts-Partnerschaft oder Rechtsanwaltsgesellschaft verbunden ist, beteiligt ist,

b. in Sachen eines Rechtsanwaltes, einer Rechtsanwalts-Partnerschaft oder einer Rechtsanwaltsgesellschaft mit demselben Kanzleisitz, einschließlich von Rechtsanwälten mit Kanzleisitz in in- oder ausländischen Kanzleiniederlassungen des Rechtsanwaltes, der Rechtsanwalts-Partnerschaft oder der Rechtsanwaltsgesellschaft,

c. in Sachen von Personen, die mit ihm in gerader Linie verwandt oder verschwägert oder durch Adoption verbunden sind,

d. in Sachen seines Ehegatten, eingetragenen Partners oder Lebensgefährten oder solchen Personen, die mit diesen in gerader Linie verwandt sind;

e. in Sachen der von ihm als Erwachsenenvertreter oder als Vorsorgebevollmächtigter vertretenen schutzbefohlenen Personen,

f. in Sachen, in denen er als Insolvenzverwalter, Verwalter in Exekutionssachen (§ 79 ff EO) oder als Restrukturierungsbeauftragter (§ 11 ff ReO) bestellt ist,

g. in Fällen, in denen in einer Urkunde eine Verfügung zu seinem eigenen oder zu dem Vorteil einer der vorgenannten Personen aufgenommen werden soll,

h. in Angelegenheiten von juristischen Personen, an denen der Rechtsanwalt oder eine der in lit b bis e genannten Personen die Mehrheit am Stamm-, Grund- oder Eigenkapital oder Stimmrechten hält oder Mitglied deren vertretungsbefugten Organe ist,

i. in Angelegenheiten, in denen er Mitglied des Aufsichtsrates einer juristischen Person ist, sofern das Aufsichtsorgan unmittelbar an den beurkundeten Verträgen beteiligt ist,

j. in Sachen seiner Rechtsanwaltsanwärter sowie von Rechtsanwaltsanwärtern von Rechtsanwälten im Sinn von lit a (iii) und b und

k. in Sachen einer Person, für die der Rechtsanwalt oder eine Person im Sinn der lit a (ii) oder (iii) oder b, in derselben Sache bereits tätig war oder ist,

keine Urkunde im Sinne des § 10 Abs 4 RAO errichten.

(3) [Ausschluss von Rechtsanwalts-Partnerschaften und Rechtsanwaltsgesellschaften von der Errichtung der Urkunde:] Die Verbote des Abs 2 lit c bis k gelten auch für Rechtsanwalts-Partnerschaften und Rechtsanwaltsgesellschaften, denen eine Person angehört oder die den Kanzleisitz mit einem Rechtsanwalt im Sinn von lit b teilt und die bzw der nach den genannten Bestimmungen keine Urkunde errichten darf. Dies gilt ebenso für Rechtsanwälte im Sinn von lit b, wenn sie denselben Kanzleisitz haben wie ein (i) Rechtsanwalt oder eine (ii) Rechtsanwalts-Partnerschaft oder Rechtsanwaltsgesellschaft, die selbst oder der eine Person angehört, der bzw die einem Verbot nach Abs 2 lit c bis k unterliegen.

(4) Ausnahme: Das Verbot gemäß Abs 2 lit k ist auf die Errichtung von Urkunden über Rechtsgeschäfte betreffend die Übertragung von Geschäftsanteilen gemäß § 12 Abs 1 FlexKapGG nicht anwendbar, sofern alle an der Geschäftsanteilsübertragung beteiligten Personen durch einen oder mehrere in § 12 Abs 1 FlexKapGG angeführte berufsmäßige Parteienvertreter im Sinne dieser Bestimmung, gegebenenfalls gemeinsam, belehrt worden sind (§ 10 Abs 4 RAO)."

Erläuterungen des ÖRAK zu § 11a RL-BA 2015

Mit der Einführung des FlexKapG durch BGBl I 2023/179 kann gem § 12 FlexKapGG ein Rechtsgeschäft betreffend die Übertragung von Geschäftsanteilen (§ 76 Abs 2 GmbHG) auch in der Form abgeschlossen werden, dass ein Rechtsanwalt eine Urkunde darüber errichtet. § 12 Abs 4 FlexKapGG verweist auf § 10 Abs 4 RAO. Die Regelungen des § 11a RL-BA 2015 treffen einerseits Klarstellungen zum Verhältnis des § 10 Abs 4 RAO zum § 12 FlexKapGG. Sie konkretisieren § 10 Abs 4 RAO auch hinsichtlich der Unzulässigkeit von Interessenskollisionen bei Errichtung der Urkunden.

Wesentlich sind jedoch die Vorschriften des § 11a RL-BA, die sich nur auf die Errichtung der Urkunde beziehen. Sie sind auf das reine Verfassen der Urkunde nicht anzuwenden1. So können gem § 11a Abs 2 RL-BA 2015 ausgeschlossene Rechtsanwalt den Vertrag wohl verfassen. Die Errichtung der Urkunde hat durch einen anderen Rechtsanwalt zu erfolgen.

Mit dem vorgeschlagenen Abs 1 wird festgelegt welche Pflichten den Rechtsanwalt bei der Errichtung der Urkunde nach Maßgabe des § 10 Abs 4 RAO treffen. Neben der Identitätsfeststellung unter sinngemäßer Anwendung des § 8b Abs 2 und 3 RAO und Beachtung der Pflichten nach §§ 8a ff RAO bei Geschäften gem § 8a RAO, sind gem Abs 4 vorgenommene Belehrungen in der Urkunde selbst zu dokumentieren. Es ist dafür Sorge zu tragen, dass die Partei die Urkunde vor dem Rechtsanwalt entweder persönlich oder durch unmittelbaren Kontakt mittels einer akustischen und optischen Zweiwegverbindung in Echtzeit unterfertigt. Die Urkunde ist in Schriftform an den Rechtsanwalt zu übermitteln (§ 886 ABGB). Das kann auch elektronisch mittels qualifizierter elektronischer Signatur erfolgen. Eine gleichzeitige Unterfertigung oder eine Unterfertigung durch alle Vertragsparteien auf derselben Urkunde ist nicht erforderlich.

Mit dem vorgeschlagenen Abs 2 wird festgelegt in welchen Fällen der Rechtsanwalt keine Urkunde iSd § 10 Abs 4 RAO errichten darf. Damit soll gewährleistet werden, dass auch der Anschein einer Interessenkollision vermieden wird.

In den Angelegenheiten des Abs 2 lit a bis lit k darf der Rechtsanwalt keine Urkunde iSd § 10 Abs 4 RAO errichten. Ausgenommen davon sind aber Rechtsgeschäfte nach lit e und lit f, die einer gerichtlichen Kontrolle, wie beispielsweise im Rahmen der Erwachsenenvertretung und eines Insolvenzverfahren unterliegen. In diesen Fällen kann der Rechtsanwalt eine Urkunde iSd § 10 Abs 4 RAO errichten.

Mit dem vorgeschlagenen Abs 3 soll klargestellt werden, dass die Verbote der lit c bis k auch für Rechtsanwalts-Partnerschaften und Rechtsanwalts-Gesellschaften gelten, denen eine Person angehört oder die sich den Kanzleisitz mit einem Rechtsanwalt iSv lit b teilt, für die bzw den das Errichtungsverbot für die Urkunde besteht; auch für Rechtsanwalt iSd lit b gelten, die denselben Kanzleisitz haben wie eine dem Verbot unterliegende Rechtsanwalt-Partnerschaft, Rechtsanwalt-Gesellschaft oder ein dem Verbot unterliegender Rechtsanwalt.

Hierdurch sollen Umgehungsmöglichkeiten vermieden werden, da die genannten Konstellationen dem Fall gleichzuhalten sind, in dem der Rechtsanwalt in eigener Sache beurkundet.

Obgleich nach Ansicht der Vertreterversammlung ein Verstoß gegen das Selbstbeteiligungsverbot keine Unwirksamkeit der Urkunde nach sich zieht, sondern lediglich eine standesrechtliche Qualitätssicherung darstellt2, soll durch diese Bestimmung eine allfällige Rechtsunsicherheit beseitigt werden.

Mit dem vorgeschlagenen Abs 4 wird festgelegt, dass das Verbot der Errichtung von Urkunden gem Abs 2 lit c bis k und Abs 3 bei der Beurkundung von Rechtsgeschäften betreffend die Übertragung von Geschäftsanteilen gem § 12 Abs 1 FlexKapGG nicht gelten soll, sofern alle an der Geschäftsanteilsübertragung beteiligten Personen durch einen in § 12 Abs 1 FlexKapGG angeführten berufsmäßigen Parteienvertreter beraten oder belehrt worden sind (§ 10 Abs 4 RAO). Dass diese Bestimmung nicht für die Errichtung von Urkunden gem Abs 2 lit a und b gilt, ist allein dem Umstand geschuldet, dass § 12 Abs 4 FlexKapGG den in der Sache selbst beteiligten Rechtsanwalt/Notar von der Beurkundung ausschließt, ohne die Ausnahme des Abs 4 zu statuieren. Dieses überschießende Verbot sollte im Zug einer allfälligen Novellierung beseitigt werden.

Form der Vollmacht zur Errichtung der „anwaltlichen Privaturkunde“

Die Richtlinien zur Berufsausübung bei der Errichtung anwaltlicher Privaturkunden treffen keine Aussage darüber, in welcher Form die Vollmacht für einen Bevollmächtigten beschaffen sein muss: In beglaubigter Form, in Schriftform oder genügt etwa auch eine mündliche oder konkludente Vollmacht?  

Zulässig sind jedenfalls Vollmachten, bei denen die Identität des Vollmachtgebers durch Notariatsakt oder durch gerichtlich oder notariell beglaubigte Unterschrift des Vollmachtgebers sichergestellt ist. Darüber hinaus muss wohl eine Vollmacht, die als anwaltliche oder notarielle Privaturkunde errichtet wurde, genügen3.  

Die Frage, ob – wenn die Vollmacht vor einem Rechtsanwalt oder Notar erteilt wird – der Anwalt/Notar auch eine Belehrung des Vollmachtgebers vornehmen und dies in der anwaltlichen oder notariellen Privaturkunde festgehalten werden muss, wird zum Teil verneint4.  

Eine „normale“ schriftliche Vollmacht, bei der weder ein Anwalt oder Notar nach Identitätsprüfung des Vollmachtgebers dessen Identität auf der Urkunde bestätigt, wird jedenfalls nicht ausreichen.

Fußnoten

1 Zur Unterscheidung vgl Keyvan Rastegar in Rastegar/Rastegar/Rastegar, FlexKapGG-ON § 12 Rz 144.

2 Vgl Keyvan Rastegar in FlexKapGG-ON § 12 FlexKapGG Rz 156.

3 Für eine Vollmacht in Form einer zumindest anwaltlichen oder notariellen Privaturkunde vgl Zib in Aumüllner/Verweijen, FlexKapGG § 12 Rz 36; K. Rastegar in Rastegar/Rastegar/Rastegar, FlexKapGG § 12 Rz 143; möglicherweise liberaler Pitkowitz/Müller in Schneeweiss/F. Hule, FlexKapGG § 12 Rz 21; vgl jedoch Rz 24; schriftliche Vollmacht genügt: J. Reich-Rohrwig in Reich-Rohrwig/Reich-Rohrwig/Kinsky, Flexible Kapitalgesellschaft Rz 7.13; diskutierend Heimel in Wünscher, FlexKapGG § 12 Rz 36; Hartlieb/Hartlieb, Zur Form der Bevollmächtigung bei der FlexKapG-Geschäftsanteilsübertragung, ecolex 2024, 951ff.

4 So Hartlieb/Hartlieb, ecolex 2024, 953f.