Wie sicher kann sich der Verkäufer einer Liegenschaft, eines Hauses oder einer Eigentumswohnung (nachstehend kurz „Kaufobjekt“ oder „Immobilie“) sein, dass der Käufer nicht nachträglich Ansprüche gegen ihn geltend macht und den Kaufpreis zu mindern oder den Vertrag rückabzuwickeln versucht? Fallweise behaupten Käufer Mängel, die gegen mündlich oder schlüssig zugesicherte Eigenschaften verstoßen, um auf diese Weise Preisminderung oder sogar Schadenersatz herauszuschlagen. Oft genug sind Vertragsbestimmungen aber auch unklar, zu allgemein gehalten oder die Vertragsteile messen einer Haftungsregelung einen unterschiedlichen Inhalt bei.1
Dieser Beitrag will einen Überblick über mögliche Anspruchsgrundlagen des Käufers gegenüber dem Verkäufer, über die Reichweite von Gewährleistungs-, Haftungs- und Anfechtungsverzichten und über die Stellung des Urkundenverfassers geben.
Auf jene Fälle, in denen die Gewährleistung und Haftung des Verkäufers nicht ausgeschlossen werden kann – etwa wenn der Verkäufer Unternehmer und der Käufer Verbraucher iSd KSchG2 oder der Verkäufer Wohnungseigentumsorganisator3 ist, und auf die Pflichten aus dem Energieausweis-Vorlagegesetz 2012 (EAVG 2012) geht dieser Beitrag nicht ein.
Im Folgenden sollen die möglichen Anspruchsgrundlagen des Käufers gegen den Verkäufer und Haftungsausschlüsse dargestellt werden.
Sofern die Parteien nichts anderes vereinbaren, muss das Kaufobjekt bekanntlich
die im redlichen Verkehr gewöhnlich vorausgesetzten oder die ausdrücklich oder schlüssig bedungenen Eigenschaften aufweisen; die Kaufsache muss insbesondere der „nach der Natur des Geschäfts“ oder der „getroffenen Vereinbarung gemäß“ verwendet werden können4 oder
den vom Verkäufer in öffentlichen Äußerungen oder in der Werbung gemachten Angaben entsprechen.5
Erfüllt der Kaufgegenstand diese gewöhnlichen, bedungenen oder aus der Sicht des Käufers im redlichen Verkehr zu erwartenden Eigenschaften nicht, so hat der Käufer Anspruch auf Gewährleistung. Gewährleistungsansprüche bestehen jedoch nicht, wenn es sich um offenkundige Mängel handelt, die der Verkäufer nicht arglistig verschwiegen hat.6
Ist das Kaufobjekt im Kaufvertrag näher beschrieben, indem negative Eigenschaften („Mängel“) erwähnt werden (zB Feuchtigkeit des Kellers; Lift entspricht nicht den geltenden Vorschriften; bei Teilen des Hauses gibt es Setzungen der Außenmauern), so sind diese „Mängel“ vertragskonform und stellen keinen Mangel im rechtlichen Sinn dar, sondern eine (einschränkende) „Leistungsbeschreibung“.
Was sind nun die gewöhnlich vorausgesetzten Eigenschaften einer Immobilie?
Beim Liegenschaftskauf – wie bei jedem Kauf – muss der Verkäufer dem Käufer grds lastenfreies Eigentum verschaffen.
Geldlasten („Schulden und Rückstände“) hat der Verkäufer grundsätzlich zu tilgen, und zwar auch dann, wenn sie aus dem Grundbuch ersichtlich sind.7 Unter den im Gesetz verwendeten Begriffen der „Schulden und Rückstände“8 fallen auch öffentlich-rechtliche Lasten, wie etwa behördliche Aufträge an den Verkäufer zur Sicherung oder Sanierung einer Altlast nach dem Altlastengesetz9 oder dem Wasserrechtsgesetz.10 Die Rechtsfolgen aus dieser Bestimmung greifen jedoch nicht, wenn der behördliche Auftrag erst dem Käufer der Liegenschaft erteilt wird.11 Desgleichen können Baumängel, deren Behebung erst nach dem Verkauf der Liegenschaft von der Behörde angeordnet wurden, mögen die Baumängel auch schon vor dem Verkauf bestanden haben, nicht als „Rückstände“ iSd § 928 Satz 2 ABGB angesehen werden, da sie nicht mit der Pflicht zu ihrer Beseitigung gleichzusetzen sind.12
Aus dem Grundbuch ersichtliche andere Lasten als Geldlasten – wie zB Servituten und Reallasten – gelten im Zweifel als vom Käufer übernommen.13 Sagt der Verkäufer ausdrücklich Lastenfreiheit der Liegenschaft zu, so haftet er allerdings auch für die Beseitigung dieser aus dem Grundbuch ersichtlichen „sonstigen Lasten“.14 Im Fall einer solchen Zusage hat der Verkäufer demnach auch für offenkundige Mängel Gewähr zu leisten.15 In der Gewährleistungszusage der „vollkommen satz- und lastenfreien Übergabe“ des Kaufobjekts ist die Zusage des Freiseins von Servituten eingeschlossen.16
Im Falle einer (ausdrücklichen) Zusage ist auch für offenkundige Servituten Gewähr zu leisten17, außer es handelt sich um eine „Legalservitut“, etwa einer nach § 8 TWG (alt) zu Gunsten der Post- und Telegrafenverwaltung: Die vertragliche Zusage der Servitutsfreiheit schließt die von öffentlich-rechtlichen Beschränkungen nicht ein.18
Wird ein bestehendes Gebäude verkauft, so stellen das Fehlen der behördlichen Baubewilligung19 und das Fehlen der (Möglichkeit der Erlangung der) Benutzungsbewilligung für das Gebäude20 grds Rechtsmängel dar.
Weiters: Beim Verkauf einer Liegenschaft mit einem darauf errichteten älteren Haus kann nach der Verkehrsauffassung davon ausgegangen werden, dass eine unwiderrufliche Baubewilligung vorliegt, insbesondere wenn nach geltender Rechtslage für das konkrete Objekt eine widerrufliche Baubewilligung gar nicht zu erwarten wäre. Eine bloß gegen jederzeitigen Widerruf erteilte Baubewilligung bildet daher ebenso einen Rechtsmangel wie das gänzliche Fehlen einer Baubewilligung.21
Beim Verkauf eines Rohbaus ist das Vorhandensein der gesetzlich vorgeschriebenen Grundstücksgröße – damit ohne Zukauf von Nachbargrund die Benützungsbewilligung erlangt werden kann – eine gewöhnlich vorausgesetzte Eigenschaft.22
Hat der Verkäufer das Bestehen einer rechtskräftigen Bau- und Benützungsbewilligung zugesagt, so ist das ein Rechtsmangel, wenn Sanierungsauflagen der Baubehörde vom Verkäufer nicht erfüllt wurden (zB betreffend Dichtheit des Kamins nach der der Behörde nachzureichenden Rauchdichtprüfung; Durchhängen der Kellerdecke). Da einem Laien die Unkenntnis baurechtlicher Bestimmungen nicht vorgeworfen werden kann, ist der konsenslose oder konsenswidrige Zustand eines Bauwerks kein offenkundiger Rechtsmangel.23
Beim Kauf eines „Baugrunds“ ist neben der Flächenwidmung bzw Zulässigkeit der Bebaubarkeit24 grds auch ein nichtkontaminiertes Erdreich, das dessen Deponierung auf übliche (kostengünstige) Weise ermöglicht,25 gewöhnlich vorausgesetzte Eigenschaft; dasselbe wird auch für die Freiheit der Liegenschaft von Kriegsrelikten gelten.26 Ferner die in den Vertragsgesprächen genannte Größe der Liegenschaft, wenn sie für die Bildung des Kaufpreises maßgeblich war.27 Bei einem Haus oder einer Eigentumswohnung wird dazu auch die Quadratmeter-Angabe über die Wohnfläche gehören. Auch statische Probleme des Hauses28 oder eine defekte Feuchtigkeitsisolierung29 widersprechen den gewöhnlich vorausgesetzten Eigenschaften. Bei einem Einfamilienhaus in einer Siedlung darf auch vorausgesetzt werden, dass es auf natürlich gewachsenem Grund, und nicht auf einer Bauschuttdeponie errichtet wurde.30
Beim Kauf einer Eigentumswohnung ist nicht nur auf die gekaufte Eigentumswohnung selbst, sondern auf die gesamte Gemeinschaftsanlage abzustellen:31 Sind etwa bei anderen Wohnungen Schäden vorhanden, die auf Kosten der Miteigentümergemeinschaft zu beheben sind, so hat jeder Miteigentümer Anspruch auf Behebung derartiger Schäden im Rahmen der
ordnungsgemäßen Erhaltung der gemeinsamen Teile und Anlagen der Liegenschaft, und diese Kosten (Nachteil = Mangel) treffen auch den Käufer einer nicht betroffenen anderen Wohnung anteilig.
Nicht so leicht zu beantworten ist die Frage, welche verkehrsüblichen Eigenschaften im redlichen Geschäftsverkehr gewöhnlich vorausgesetzt werden können, wenn es um Wasser-, Heizung-, Klima- oder Elektroinstallationen des Hauses/der Wohnung oder sonst um technische Einrichtungen geht. Handelt es sich um ein neues Haus/ Wohnung, so kann der Käufer wohl Neuwertigkeit voraussetzen.
Wird das Kaufobjekt als „generalsaniert“ angepriesen,32 wird es auf die Verkehrsauffassung ankommen, welche Teile der Installationen erneuert worden sein müssen, und bei welchen der Käufer mit dem Belassen alter Installationen oder einer alten Heizanlage33 rechnen muss. Aus der Sicht des Verkäufers wird sich empfehlen, dem Kaufvertrag eine klarstellende Beschreibung anzufügen, inwieweit die Generalsanierung zum Austausch gegen neuwertige Geräte, Installationen oder Zubehör geführt bzw inwieweit kein Austausch stattgefunden hat.
Im Bereich des Kaufs von „Gebraucht-Fahrzeugen“ wird judiziert, dass der Käufer auch ohne Gewährleistungsverzicht innerhalb eines gewissen Rahmens Mängel hinnehmen muss: Der Käufer kauft eben keinen Neu-, sondern nur einen Gebrauchtwagen. Er muss daher insbesondere die dem Alter und den gefahrenen Kilometern entsprechenden Verschleiß- und Abnützungsmängel hinnehmen, wenn die gewöhnliche Beschaffenheit eines Gebrauchtwagens normale Verschleißerscheinungen und das Risiko auch größerer Reparaturen nicht ausschließt.34 Allerdings kann selbst bei einem vereinbarten Gewährleistungsausschluss aufgrund der Darstellung des Kaufobjekts in den vorvertraglichen Verhandlungen oder übergebenen Informationen die Verkehrs- und Betriebssicherheit des Gebrauchtwagens schlüssig zugesichert sein, sodass dann der Verkäufer doch für die Fahrtüchtigkeit35 oder für Verkehrs- und Betriebssicherheit des Kfz zu haften hat.36 Die an sich zu erwartenden normalen Verschleißerscheinungen und Abnutzungsmängel dürfen dann die Verkehrs- und Betriebssicherheit des gekauften Gebrauchtwagens nicht beeinträchtigen,37 andernfalls Gewähr zu leisten ist. Gleiches wird auch beim Verkauf gebrauchter Flugzeuge38 judiziert.
Die hier dargestellten Grundsätze werden sich auch auf den Kauf eines einige Jahre oder Jahrzehnte alten Hauses/Wohnung umlegen lassen, sodass Mängel und Alterserscheinungen, die nach Bauart und/oder Alter eines Hauses/Wohnung mit einer gewissen Wahrscheinlichkeit zu erwarten sind, vom Käufer durchaus hingenommen werden müssen.
Oben habe ich bereits erwähnt, dass zu den Eigenschaften von Gebäuden, deren Vorliegen der Käufer erwarten darf, grundsätzlich auch das Vorliegen einer Baubewilligung und der Benützungsbewilligung gehören (und naturgemäß auch, dass die Baubewilligung und deren Auflagen bei Errichtung des Gebäudes im Wesentlichen eigenhalten wurde).39
Geht man ins Detail, so gibt es zahlreiche weitere Rechtsvorschriften, die vom bisherigen Eigentümer, dem Verkäufer, einzuhalten waren und auf deren Einhaltung der Käufer ev vertrauen könnte: etwa die in den Bauordnungen enthaltenen Schallschutzwerte der Fenster, die Verpflichtungen für Brüstungen, Geländer oder Stiegen-Handläufe, die vorgeschriebene Brandbeständigkeit der verwendeten Baumaterialien, die Betriebssicherheitsvorschriften für Aufzüge, usw.40
So hat etwa die Judikatur auch ausgesprochen, dass der Hauseigentümer die bauliche Sicherheit laufend zu überprüfen und die Baulichkeiten dem Ergebnis der Kontrolle entsprechend einwandfrei in Stand zu setzen sowie ganz allgemein den für die körperliche Sicherheit der Gäste maßgeblichen, nach einschlägigen Gesetzen und anderen Vorschriften, aber auch nach dem jeweiligen Stand der Technik geltenden Mindeststandard durch ihm zumutbare Verbesserungsarbeiten einzuhalten hat.41
In der Realität schaut es freilich häufig anders aus: Häuser und Wohnungen werden bisweilen nicht unter Einhaltung aller maßgeblichen Vorschriften gebaut. Häufig ist dieser Umstand dem Eigentümer auch nicht bekannt und bisweilen erfüllt der Eigentümer auch nicht die ihn treffende Verpflichtung zur Überprüfung der baulichen Sicherheit und zur Instandsetzung und zur Nachrüstung auf den dem jeweiligen Stand der Technik entsprechenden Mindeststandard. Erst recht gilt dies häufig für Aufzüge, Heiz- und Kesselanlagen, sowie Wasser-, Strom- oder Gasleitungen, die der Eigentümer – entgegen zahlreicher Landesgesetze – nicht überprüfen lässt. Häufig kommt es auch zu Abweichungen, weil etwa Mieter (ohne Zustimmung des Hauseigentümers und ohne baubehördliche Bewilligung) eigenmächtig Umbauarbeiten vorgenommen haben.
Auch hier stellt sich wiederum die Frage, ob die Einhaltung dieser Vorschriften von der Gewährleistungspflicht des Verkäufers – allenfalls auch von einer Aufklärungspflicht – mitumfasst ist oder nicht: Fraglich ist nämlich, ob der Schutzzweck dieser Vorschriften gerade im Schutz des Käufers, der sein Geld in einer Immobilie veranlagt (bei dem sich das Nichtvorliegen dieser Eigenschaft demnach im „bloßen Vermögen auswirkt“), oder nur im Schutz der konkreten Bewohner/Benutzer, der Nachbarn oder der Allgemeinheit liegt und daher für die Frage der Gewährleistung aus dem Kaufvertrag irrelevant ist. Häufig zielen diese Vorschriften auf die Betriebssicherheit, auf den Schutz der Umwelt, der Nachbarn, der Allgemeinheit oder der spezifischen Energieversorger, nicht aber auf den Schutz des Käufers einer Immobilie ab.42
Ein Rechtsmangel liegt nur dann vor, wenn der Verkäufer dem Käufer nicht die geschuldete Rechtsposition verschafft. Beim Verkauf eines Mietshauses ist nach einer höchstgerichtlichen E das Vorliegen von Hauptmietverträgen anstelle von Untermietverträgen mehrerer Bestandnehmer von entscheidender Bedeutung.43 Es wird auch einen Mangel darstellen, wenn bspw die dem Kaufinteressenten übergebenen Mietzinslisten Mieten enthalten, die gegen die Mietzinsbildungsvorschriften des MRG verstoßen, zB den zulässigen Mietzins übersteigen und die Mieten daher teilweise zurückgefordert werden können; dies bedeutet eine geringere Ertragskraft des Hauses.
Wird allerdings beim Verkauf eines Miethauses während der Vertragsverhandlungen eine Zinsliste übergeben, in der einzelne Wohnungen als Kategorie A ausgewiesen sind, liegt darin nach der Rsp nicht zwingend die (schlüssige) Zusicherung, dass diese Wohnungen nach Rückstellung durch den Hauptmieter immer noch derselben Kategorie angehören.44
Ungewöhnliche Mängel oder Lasten dürfen vom Verkäufer nicht verschwiegen werden. Da Gewährleistungsansprüche unabhängig vom Verschulden des Verkäufers sind, ist die Tatsache des Verschweigens rein objektiv zu beurteilen. Ungewöhnlich sind Mängel und Lasten dann, wenn sie im gewöhnlichen Verkehr so selten vorkommen, dass mit ihnen nicht gerechnet werden muss. Verschweigt demnach der Verkäufer solche Mängel und Lasten, so hat er dafür Gewähr zu leisten, gleichgültig ob er sie kannte und ob ihm das Verschweigen bekannter Mängel oder Lasten subjektiv vorwerfbar ist.45
Die Rsp hat einen ungewöhnlichen Mangel bejaht bei besonderen wasserrechtlichen Nutzungseinschränkungen eines über die gekaufte Liegenschaft fließenden Baches.46 Kein ungewöhnlicher Mangel wurde darin gesehen, dass sich die mit dem Wohnungsobjekt übernommene Darlehensbelastung infolge Weiterverkaufs der Immobilie verändert.47
Der Verkäufer hat auch für ausdrücklich oder vermöge der Natur des Geschäfts stillschweigend bedungene Eigenschaften des Kaufobjekts Gewähr zu leisten; dasselbe gilt, wenn er ungewöhnliche Mängel oder Lasten verschweigt oder fälschlich vorgibt, dass die Sache zu einem bestimmten Gebrauch tauglich wäre oder bessere Eigenschaften als üblich aufweist (§ 922 ABGB).
Es ist daher durchaus denkbar, dass sich die Gewährleistungspflicht des Verkäufers auch auf Eigenschaften des Kaufobjekts erstreckt, die zwar nicht ausdrücklich, aber „nach der Natur des Geschäftes“ konkludent vereinbart wurden: Wenn der Verkäufer ein Grundstück als „Baugrund“ anbietet, dieser Umstand aber im schriftlichen Kaufvertrag keinen Niederschlag findet oder eventuell sogar explizit eine „bestimmte Verwendbarkeit“ vertraglich ausgeschlossen wird, haftet er dennoch für die „vermöge der Natur des Geschäfts
stillschweigend bedungene Eigenschaft“ der Bebaubarkeit (die meist im wesentlich höheren Kaufpreis als einen Preis für „Grünland“ zum Ausdruck gekommen ist): Denn ein vertraglicher Gewährleistungsverzicht erstreckt sich nicht auf ausdrücklich oder schlüssig zugesicherte Eigenschaften oder auf arglistig verschwiegene Mängel.48
In der Erklärung des Verkäufers, „dass auf dem kaufgegenständlichen Grundstück ein Wohnhaus im Rohbau steht“, liegt die Zusicherung, dass der Rohbau zur Gänze auf diesem Grundstück – und nicht teilweise auch auf dem Nachbargrundstück – steht und dass für ihn nach Fertigstellung die baubehördliche Benützungsbewilligung ohne weiteres erlangbar ist.49
Umgekehrt kann sich aber auch aus den Verhandlungen vor Vertragsabschluss ergeben, dass die Parteien von einem schlechteren Zustand des Kaufobjekts, als er im Geschäftsverkehr gewöhnlich vorausgesetzt werden würde, ausgegangen sind und auf diese Weise den Maßstab für die Gewährleistung herabgesetzt haben. Dies auch dann, wenn dies im schriftlichen Kaufvertrag keinen Niederschlag gefunden hat, aber der Vertrag unter Heranziehung der zum Vertragsabschluss führenden Verhandlungen so auszulegen ist.
So spricht etwa die Judikatur aus: „Ob das Kaufobjekt als Leistungsgegenstand vertragswidrig oder vertragskonform ist, ist aufgrund des konkreten Veräußerungsvertrags in seiner maßgeblichen Auslegung zu beurteilen.“ Deshalb ist eine vertragliche Leistungsbeschreibung im Kaufvertrag, in welcher Mängel, Negativeigenschaften oder Risken (zB Bleiwasserrohre, Asbest als Baustoff50 oder der Verdacht einer Kontaminierung51) angesprochen werden, aus Sicht des Verkäufers von hoher Wichtigkeit. Die Vertragsparteien können eine Sache, die objektiv gesehen mangelhaft ist, durchaus als vertragsgemäß ansehen und vereinbaren.52
So kann nach der Judikatur etwa ein auffallend niedriger Kaufpreis ein Indiz dafür sein, dass bestimmte negative Eigenschaften des Kaufgegenstands nach der Vorstellung der Parteien keinen Mangel darstellen und somit auch keine Gewährleistungsansprüche auslösen sollen.
Wer bspw ein aufgelassenes Fabrikgelände billig erwirbt, darf sich im Allgemeinen nicht darüber beschweren, dass der Boden mit Altöl oder anderen Sonderabfällen, die beim Betrieb der Fabrik angefallen sind, kontaminiert ist.53
Als schlüssige Eigenschaftszusagen wurden etwa gewertet: die im Stadium der Vertragsanbahnung vom Verkäufer übergebenen (Prospekt-)Unterlagen und Informationen über die Wohnungseigentumsanlage;54 die Eignung einer vertraglich explizit für Zwecke des Fliesengroß- und Einzelhandels (gemieteten) Lagerhalle (Tragfähigkeit des Bodens) zur Belastung mit Regalen für Fliesen und Sanitärgegenstände.55 Freilich ist Vorsicht geboten, wenn es um die Frage geht, ob aus der Mitteilung eines Verwendungszwecks des Kaufinteressenten schon eine zugesicherte Eigenschaft wird, falls der Verkäufer dem nicht widerspricht:56
Bei Unterlassung einer nach Treu und Glauben berechtigterweise erwarteten Aufklärung – wie etwa über die dem Verkäufer bekannte Bodenbeschaffenheit eines auf einer Bauschuttdeponie errichteten Einfamilienhauses – leitet die Judikatur eine schlüssige Eigenschaftszusage (hier: für normale Bodenverhältnisse) ab, die einem allgemeinen Gewährleistungsausschluss vorgeht.57
Letztlich ist § 922 ABGB eine vernünftige gesetzliche Regelung, die es verhindern soll, dass unzulängliche schriftliche Vertragsbestimmungen dazu führen, dass eine Vertragspartei übervorteilt wird. Umgekehrt bedeutet dies ein Einfallstor für die Behauptung von Ansprüchen – meist durch den Käufer –, und dies belastet die Vertragsabwicklung mit Beweisfragen darüber, welchen Inhalt die vorvertraglichen Gespräche hatten und ob diese ggf als Zusagen zu werten waren. Dies kann letztlich nur in einem Gerichtsprozess geklärt werden.
Für „offenkundige“ Mängel – also für Mängel, die „in die Augen fallen“ – und für „die auf der Sache haftenden Lasten, die aus den öffentlichen Büchern ersichtlich sind“, hat nach dem Gesetz der Verkäufer nicht Gewähr zu leisten,58 sofern nicht ein Fall arglistiger Verschweigung des Mangels oder einer ausdrücklichen Zusage der Fehlerfreiheit vorliegt (§ 928 Satz 1 ABGB).
Voraussetzung für diesen gesetzlichen Gewährleistungsausschluss ist allerdings, dass die verkaufte Sache schon vor oder bei Vertragsabschluss besichtigt wurde, sodass der Mangel bei Abgabe der Willenserklärung offenkundig war. Infolge Kenntnis des Mangels als solchen ist die Gewährleistung ausgeschlossen; die Kenntnis der Ursache des Mangels ist nicht nötig.59 Zum Teil fasste die Judikatur als offenkundigen Mangel nicht nur die beim Vertragsabschluss bekannten, sondern auch erkennbare Mängel auf.60 Das Wissen des vom Käufer mit der Prüfung der Kaufsache Beauftragten wird dem Käufer zugerechnet.61
Bekannt und somit „offenkundig“ sind Mängel, wenn sie der Verkäufer dem Käufer im Zuge der Vertragsgespräche mündlich oder schriftlich offenlegt (insb durch einen sog disclosure-letter).
Erkennbar im Sinne von offenkundig sind Mängel insb dann, wenn dem Käufer eine Kaufprüfung (Due Diligence-Prüfung – „DD“)62 oder eine Begehung und Besichtigung der Immobilie, ermöglicht wird oder der Käufer Unterlagen zur Prüfung übergeben erhält, aus denen der Mangel ersichtlich ist.
Bei mittleren und größeren Immobilien-Transaktionen – sei es als Kauf der Immobilie, sei es als „Share-Deal“63 – ist es üblich, dass der Käufer den Bauzustand der Gebäude, die rechtlichen, wirtschaftlichen und ggf umweltrechtlichen Verhältnisse, ggf auch die Bodenverhältnisse, unter Beiziehung von Sachverständigen sorgfältig prüft. Gleiches gilt bei einem Unternehmenskauf in Bezug auf die dazugehörigen Liegenschaften.64
In rechtlicher Hinsicht werden dabei insbesondere die Vermietungssituation (Mietverträge und gesamte Vertragsdokumentation, Mieterträge, Zinslisten, Einhaltung der mietrechtlichen Zinsbildungsvorschriften, eventuelle Befristungen der Bestandverträge, Weitergaberechte, Vorhandensein von Eintrittsberechtigten, Kündigungsverzichte und Bonität der Mieter usw), die Vertragsverhältnisse (Hausbesorger, Facility-Management-Verträge, Versicherungsverträge), Bezugsverträge (zB Fernwärme; Energiebezugsverträge) geprüft. In technischer Hinsicht werden neben dem Bauzustand des Gebäudes und der einzelnen Gebäudeteile auch der Zustand und die Dokumentation der technischen Anlagen und der Steuerungsanlagen, die Sicherheits- und Brandmeldeanlagen, die Durchführung der vorgeschriebenen Überprüfungen uvm geprüft. In baurechtlicher Hinsicht wird das Vorhandensein der Baubewilligung und der Benützungsbewilligung, die Einhaltung des Flächenwidmungs- und Bebauungsplans – allenfalls auch die Möglichkeiten für Erweiterungsbauten –, geprüft. Bei der umweltrechtlichen Prüfung wird je nach Lage des Falls das Vorhandensein von Altlasten oder von Hinweisen darauf geprüft. Siehe dazu den Verdachtsflächenkataster im Altlastenatlas, der vom Umweltbundesamt geführt wird.65 Das kann Boden- und Grundwasserproben umfassen. Checklisten sind verfügbar.66
Wie erwähnt, hat der Verkäufer einer Sache für offenkundige Mängel grds nicht Gewähr zu leisten (ausgenommen den Fall der Arglist).
Der Verkäufer kann jedoch ungeachtet der Offenkundigkeit eines Mangels
eine ausdrückliche oder schlüssige Zusage der völligen Mängel- oder Lastenfreiheit geben oder
bloß die Freiheit des Kaufgegenstands von einzelnen Fehlern zusagen und offene Mängel von der Zusage der Fehlerfreiheit ausklammern.67
Gibt der Verkäufer eine besondere Zusage der Mängel- oder Lastenfreiheit ausdrücklich oder schlüssig ab, so geht diese als lex specialis einem im Kaufvertrag vereinbarten allgemeinen Gewährleistungsausschluss grds vor.68 Die Judikatur betont dazu einerseits, dass, wenn Mangelfreiheit – auch in Kenntnis eines offenkundigen Mangels – zugesagt wird, nicht generell gesagt werden könne, dass sich der offenkundige („ins Auge fallende“) Mangel ohnedies schon preismindernd niedergeschlagen hätte, sodass allein deshalb nicht Gewähr zu leisten wäre.
Allerdings lässt die Judikatur – zutreffend – den Nachweis zu, dass die Auslegung der betreffenden Vertragsklausel unter Berücksichtigung des Parteiwillens jedoch dazu führen kann, dass der betreffende offenkundige Mangel von der – nach ihrem Wortlaut zu weit formulierten – Zusage der Mängelfreiheit ausgenommen sein sollte.69 Diesfalls ist der – gemessen am wahren Willen der Parteien – („natürlicher Konsens“) – zu weit geratene Vertragswortlaut einschränkend zu verstehen, sodass der Verkäufer für den offenen Mangel doch nicht einzustehen hat.
Zum Teil wird die gegenständliche Frage methodisch auf anderem Wege gelöst: Wenngleich die vertragliche Zusage der Mängelfreiheit des Kaufobjekts als Willens- und nicht bloß als Wissenserklärung zu verstehen ist, weshalb grds auch die Kenntnis des Käufers von der Unrichtigkeit der Zusage nicht schaden würde, hat der Verkäufer doch für einen unbehebbaren Mangel nicht einzustehen, wenn der Erwerber diesen kennt; denn diesfalls wäre die Zusage der Fehlerfreiheit ein absurder Vertragsinhalt iSd § 878 und wäre daher ungültig.70 Gibt der Verkäufer einen Fehler bekannt, schließt dies trotz der allgemeinen Zusage der Mängelfreiheit einen diesbezüglichen Gewährleistungsanspruch aus.71 Nach Reischauer72 soll dies aber nur für unbehebbare Mängel gelten. Bei behebbaren Mängeln würde der Verkäufer aufgrund der ausdrücklichen Zusage der Mängelfreiheit haften.
ME wird in den Fällen, in denen der Käufer den Mangel kennt oder der Mangel für ihn evident ist – etwa weil der Mangel bei einer ihm ermöglichten DD-Prüfung offenliegt – trotz ausdrücklicher Zusage der Mängelfreiheit häufig kraft schlüssiger Willenserklärung von der Gewährleistungspflicht oder von der vereinbarten Bilanzgarantie des Verkäufers ausgenommen sein: Denn es ist durchaus möglich, dass die Vertragsparteien eine Einschränkung der nach ihrem Wortlaut weit gefassten Zusage über die Mängelfreiheit ausdrücklich oder schlüssig vornehmen, wie auch die Judikatur in diesem Zusammenhang anerkennt.73 Dazu kommt, dass den Erwerber seinerseits Aufklärungspflichten treffen, wenn er erkennt oder es für ihn evident ist, dass sich der Verkäufer bei Textierung der zu weit gefassten Gewährleistungszusage in Irrtum befindet oder die Sachlage unrichtig beurteilt.
Wenngleich die Aufklärungspflichten bei entgeltlichen Geschäften, bei denen jeder Vertragsteil auf seinen Vorteil bedacht sein darf, nicht überspannt werden dürfen und jeder Vertragsteil selbst auf seinen Vorteil bedacht sein muss,74 ist mE hier die Aufklärungspflicht zumindest in abgemilderter Form insoweit anzuerkennen, als der Käufer aus der Nichtaufklärung des dem Verkäufer unterlaufenen Fehlers keine für ihn vorteilhaften Rechtsfolgen – hier: Inanspruchnahme der Gewährleistungszusage – ableiten darf. So ist es ein allgemeiner Rechtsgrundsatz, dass niemand aus eigenem rechtswidrigen Verhalten einen Vorteil ziehen darf.75
Hat der Verkäufer den Mangel verschuldet76 – und sei es auch nur, indem er einen Mangel vor Übergabe schuldhaft nicht beseitigt hat77 – so haftet der Verkäufer für den Mangel selbst auch aus dem Titel des Schadenersatzes. Dies setzt – im Gegensatz zur Gewährleistung – das Verschulden des Verkäufers voraus;78 leichte Fahrlässigkeit genügt.
Diese Haftung kann zu einer zeitlich wesentlich längeren Haftung des Verkäufers als bei bloßer Gewährleistung führen, weil die dreijährige Verjährungsfrist für Schadenersatz erst mit Kenntnis des Geschädigten (= Käufers) vom Schaden und vom Schädiger zu laufen beginnt.79
Zudem ist auch an eine Haftung des Verkäufers für Mangelfolgeschäden – also Schäden, die aus der Mangelhaftigkeit der Kaufsache als Folgeschäden resultieren – zu denken. Diese Haftung ist nach allgemeinem Schadenersatzrecht zu beurteilen;80 sie setzt ebenfalls bereits bei leichter Fahrlässigkeit des Verkäufers ein.
Mangelfolgeschäden können etwa in Verspätungsschäden, in den Kosten einer Ersatzwohnung für die Dauer der Reparatur der Mängel, oder im Betriebsausfall für die Dauer der Beseitigung der Kontaminierung des Betriebsgebäudes bestehen und daher uU beträchtliche Ausmaße annehmen.81
Nach der Judikatur soll ein vertraglicher Gewährleistungsausschluss nicht zugleich auch den Ausschluss der Haftung des Verkäufers für Mangelfolgeschäden bewirken.82 Dies ist mE bedenklich, weil ja der Käufer durch den Gewährleistungsausschluss – wirtschaftlich betrachtet – den mangelhaften Zustand genehmigt und dann den Folgeschäden die Rechtswidrigkeit fehlt; die Judikatur sieht das aber, wie gesagt, anders.
Vertragliche Haftungsausschlüsse sind auch für Mangelfolgeschäden – in den allgemeinen Grenzen ihrer Zulässigkeit (dazu s unten H.3.) – möglich83 und aus Sicht des Verkäufers empfehlenswert.
Denkbar ist auch, dass der Käufer den Kaufvertrag wegen eines vom Verkäufer veranlassten Geschäftsirrtums anficht und Rückabwicklung oder Vertragsanpassung, dh meist Herabsetzung des Preises, verlangt.84
Im Falle arglistiger Irreführung durch den Verkäufer (oder der ihm zurechenbaren Personen, etwa eines Maklers85) berechtigt nicht nur ein Geschäftsirrtum, sondern auch ein Motivirrtum zur Anfechtung.86
Als Irreführung kommen in Betracht: die aktive Vorspiegelung falscher Tatsachen;87 die Unterdrückung des wahren Sachverhalts, wodurch der Käufer in Irrtum geführt oder in seinem Irrtum belassen wird;88 Unterlassungen, wenn eine Aufklärungspflicht besteht und diese bewusst verletzt wird.89 Listige Irreführung scheidet jedoch aus, wenn der Verkäufer die Mangelhaftigkeit selbst nicht kannte90 oder der verschweigende Vertragspartner selbst nicht Kenntnis davon hat, dass der andere Teil irrt.91
Auch ohne den Vorwurf arglistiger Irreführung kommt eine Haftung des Verkäufers wegen fahrlässiger Verletzung von Aufklärungspflichten92 in Betracht, die ihn – über den Umweg des Schadenersatzrechts – zur Leistung von Schadenersatz verpflichtet; dies mindert letztlich den zuvor vereinnahmten Kaufpreis oder führt zur Vertragsaufhebung qua Naturalrestitution.
Allerdings hat bei „Umsatzgeschäften“ – also auch bei Kaufverträgen93 – jeder Vertragsteil die Vorteilhaftigkeit des Vertrags für sich selbst zu prüfen und kann nicht erwarten, dass der andere Vertragsteil quasi „sein Kurator“ ist.94 Ob eine Aufklärungspflicht des Verkäufers besteht, hängt davon ab, welche Eigenschaften der Käufer des Kaufobjekts aufgrund redlicher Verkehrsauffassung, nach den Vorgesprächen, nach den ihm übergebenen Unterlagen oder aufgrund einer ausdrücklichen oder schlüssigen Zusage erwarten darf.95
Diese Erwartungen können durch das Verhalten der Vertragsparteien vor Vertragsabschluss somit verändert werden:
Wenn der Verkäufer zusätzliche Informationen über den Kaufgegenstand erteilt oder Fragen über diesen beantwortet, schafft er eine Erwartung des Kaufinteressenten, dass diese Informationen zutreffen; er haftet somit im Falle ihrer Unrichtigkeit,96 soweit es sich nicht nur um unverbindliche Anpreisungen handelt.
Verweigert der Verkäufer die Beantwortung von Fragen, so darf sein Kontrahent diesbezüglich auch keine zusätzlichen Informationen erwarten.97 Auch wer vor Vertragsabschluss auf das Nichtvorliegen der nach der redlichen Verkehrsauffassung zu erwartenden Umstände hingewiesen wird, ist nicht noch weiter aufzuklären. Neben expliziten Mitteilungen/Warnungen des Verkäufers kann aber auch das ins-Spiel-bringen eines Haftungs- oder Gewährleistungsausschlusses den potenziellen Käufer auf drohende Risken und Gefahrenquellen aufmerksam machen: Durch den „risikogerichteten Informationswert“ der vorgeschlagenen Vertragsklausel werden mögliche Negativeigenschaften offengelegt, sodass dann eine Aufklärungspflicht des Verkäufers ausscheidet.98
Die Judikatur hat auch ausgesprochen, dass keine allgemeine Pflicht des Verkäufers besteht, den Käufer über alle abstrakten Gefahren aufzuklären.99 Auch muss der Verkäufer den
Käufer nicht belehren, wenn dieser keinen bestimmten Verwendungszweck der Kaufsache nennt, jedoch nur dadurch eine besondere Gefahr erkennbar würde.100
Das Gesetz101 lässt die Anfechtung eines Vertrags wegen Verkürzung über die Hälfte des wahren Werts zu, wenn – aus Sicht des Käufers – die Kaufsache weniger wert ist als die Hälfte des vereinbarten Kaufpreises; aus Sicht des Verkäufers, wenn der Verkehrswert der Liegenschaft mehr als das Doppelte des vereinbarten Kaufpreises beträgt. Der betreffende Vertragsteil ist dann „über die Hälfte verkürzt“ („laesio enormis“).
Das Gesetz räumt in diesen Fällen dem verkürzten Vertragspartner das Recht ein, die Aufhebung des Vertrags und die Herstellung des vorigen Zustands zu fordern. Der andere Vertragsteil kann das Kaufgeschäft aber dadurch aufrechterhalten, dass er die Differenz bis zum gemeinen Wert (Verkehrswert) der Kaufsache ersetzt.
Zum vertraglichen Ausschluss der laesio enormis s unten H.4.
Ein Kaufvertrag kann als Ganzes wegen Sittenwidrigkeit, insbesondere wegen Wuchers oder einer krassen Wertinäquivalenz, nichtig sein.102
Auch einzelne Vertragsklauseln können sittenwidrig sein.103 Dies hat dann zur Folge, dass sie durch geltungserhaltende Reduktion auf ihren zulässigen Gehalt einzuschränken sind104 oder dass sie zur Gänze wegfallen.105
Weitere Ausführungen würden den Rahmen dieses Beitrags überschreiten, sodass auf die einschlägige Lit und Rsp zu verweisen ist.
Ein gänzlicher oder teilweiser Gewährleitungsausschluss (-verzicht) des Käufers ist nach § 929 ABGB grundsätzlich zulässig.106 Ein umfassend abgegebener Gewährleistungsverzicht erstreckt sich grundsätzlich auch auf geheime Mängel107 und solche Mängel, die gewöhnlich vorausgesetzte Eigenschaften betreffen,108 nicht aber auf das Fehlen zugesicherter Eigenschaften.109 Die Reichweite eines Gewährleistungsverzichts ist durch Auslegung im Einzelfall (§ 914 ABGB) nach der Absicht der Parteien und deren Übung des redlichen Verkehrs zu ermitteln.110 Vom Gewährleistungsverzicht sind Sach- und Rechtsmängel grds gleichermaßen umfasst.111 Ein Teil der neueren Lehre112 und Rsp113 nimmt jedoch an, dass ein Verzicht auf Rechtsmängel sittenwidrig wäre und schränkt den Verzicht im Zweifel auf Sachmängel ein.
Nach stRsp sind vertragliche Gewährleistungsausschlüsse (-verzichte) im Zweifel restriktiv auszulegen.114 Ein vertraglicher Gewährleistungsausschluss erstreckt sich daher nicht auf das Fehlen ausdrücklich oder schlüssig zugesicherter Eigenschaften oder auf arglistig verschwiegene Mängel.115 Ein Gewährleistungsverzicht kann bei Arglist116 – oder grober Fahrlässigkeit – des Verkäufers und bei Sittenwidrigkeit angefochten werden.117
Schlüssige oder nur durch Vertragsinterpretation gewonnene Zusagen bestimmter Eigenschaften gehen demnach als speziellere Zusage dem allgemeinen (unspezifizierten) Gewährleistungsausschluss vor.118
Häufig nimmt die Rsp unter sehr feinfühliger Auslegung aller Umstände und des Vertragstextes schlüssige Gewährleistungszusagen für grundlegende Eigenschaften des Kaufobjekts an, die dann einem Gewährleistungsausschluss vorgehen.119 Ein vertraglicher Gewährleistungsausschluss umfasst auch nicht die völlige Unbrauchbarkeit der Kaufsache.120
Ein Gewährleistungsverzicht ist restriktiv auszulegen und soll nach der Rsp im Zweifel nur einen Verzicht auf die Geltendmachung des Mangels, nicht aber einen Verzicht auf den durch den Mangel ausgelösten Folgeschaden umfassen.121
Enthält der Kaufvertrag eine „Besichtigungsklausel“ – so etwa „dass der Käufer die Möglichkeit zur Informationsbeschaffung durch Besichtigung hatte“ – bezieht sich diese nur auf Mängel, die für den Käufer durch Besichtigung und Informationsaufnahme erkennbar waren,122 daher nicht auf geheime Mängel.123
In der früheren Rsp124 wurde die Klausel, dass der Verkäufer „keine Gewähr für bestimmte Eigenschaften und eine bestimmte Beschaffenheit“ der Liegenschaft übernimmt, auch als Gewährleistungsausschluss für überdurchschnittlich starke Kontaminierung angesehen, die eine Sanierung mit Kosten in der Höhe des 5,3fachen Kaufpreises erforderlich machte, obwohl keine der Vertragsparteien von Kontaminationen in diesem Ausmaß Kenntnis hatte, sondern lediglich mit einer „gewissen Erdreichkontaminierung“ zu rechnen war.125 In der späteren Entscheidung v 25. 1. 2000126 wurde ausgesprochen, dass die Freiheit einer Liegenschaft von massiven Kontaminationen, deren Vorhandensein infolge Einschreitens der Umweltbehörde die Käuferin für Jahre an der Bauführung hindert, im Allgemeinen zu den gewöhnlich vorausgesetzten Eigenschaften einer zum Zweck der Errichtung eines Hauses gekauften Liegenschaft gehört. Der Gewährleistungsausschluss „für bestimmte Eigenschaften oder eine bestimmte Beschaffenheit des Kaufobjekts“ beziehe sich schon nach seinem Wortlaut nicht ohne Weiteres auf den festgestellten Mangel dieser Kontamination, der die gewöhnlich vorausgesetzte Brauchbarkeit verhinderte.
Dem in Kaufverträgen verwendeten Begriff „Kontamination“ wurde in mehreren Entscheidungen eine unterschiedliche Reichweite beigemessen: In einer Entscheidung128 wurde unter „Kontamination“ im Sprachgebrauch grds eine Vermengung des Bodens mit unerwünschten Stoffen, insbesondere ein „Verschmutzen, Verunreinigen“ verstanden. Vor dem Hintergrund einer Vertragsbestimmung, die sich auf „Kontaminationen jedweder Art“ bezog, beurteilte die Rsp auch Baurestmassen, somit bereits im Boden befindliche nach früherem Abbruch von Gebäude- (Teilen) in das Erdreich gelangte Materialien, als „Kontaminationen“. Der OGH wies in dieser Entscheidung auf die Rsp des VwGH hin, wonach Geländeaufschüttungen mit Baurestmassen als unzulässige „Ablagerung“ zu beurteilen sind, die nur auf einer Baurestmassendeponie zulässig sind, weil mit dem Ablagern der Baurestmassen Gefahren für umweltrelevante Güter verbunden sind. Ein mit Baurestmassen durchsetzter Boden sei daher auch wegen dieser Beschaffenheit als kontaminiert zu bezeichnen und stelle zumindest im Fall der Entsorgung eine potenzielle Umweltgefährdung dar.
In einer weiteren Entscheidung129 sprach der OGH aus, dass der Begriff der „Kontaminierung“ sehr weit sein kann. Im konkreten Fall ergäbe sich aus den Vorgesprächen zwischen den Parteien jedoch, dass damit nur die von einer früheren Tankstelle ausgegangenen Verunreinigungen, nicht auch Baustoffreste einer Garagenanlage gemeint waren.
In einer Folgeentscheidung130 definierte der OGH den Begriff der Kontaminationen dahin, dass er nur solche mit gesundheits- und/oder umweltgefährdenden Stoffen umfasse, nicht hingegen Baureste, die hauptsächlich aus Ziegelbruch bestanden.
In der jüngsten Entscheidung131 war eine (begrifflich verunglückte) Definition im Kaufvertrag zu beurteilen, wonach sich der Verkäufer verpflichtet hatte, für „Altlasten im Sinne der §§ 24 und 25 OÖ Bodenschutzgesetz zu haften“. Verunglückt war der Begriff deshalb, da das OÖ Bodenschutzgesetz den Begriff „Altlast“ nicht kennt. Hier wurde diese Haftungszusage des Verkäufers weit verstanden, da in den Vertragsverhandlungen nachgefragt wurde, ob in der Nähe der Liegenschaft früher ein Betrieb oder eine Werkstatt gewesen sei oder ob die in der Zahnarztpraxis (des Kaufobjekts) angefallenen Materialien ordnungsgemäß entsorgt wurden und ob auf der Liegenschaft etwas vergraben oder aufgeschüttet worden sein könnte; deshalb habe dem Verkäufer klar sein müssen, dass er auf diese Weise eine umfassende vertragliche Zusicherung und gewährleistungsrechtliche Haftung übernahm. Dass ihm die
Aufschüttung mit Bauschutt nicht bekannt war, ändere an seiner gewährleistungsrechtlichen Haftung nichts.
Für die Vertragspraxis empfiehlt es sich daher – gerade in Hinblick darauf, dass auch die Vorgespräche, der Verlauf der Vertragsverhandlungen und die Interessenlage der Parteien in die Auslegung der Haftungsklausel/-ausschluss/-zusicherung miteinzubeziehen sind – bei der Verfassung von Kontaminierungsklauseln hohe Sorgfalt walten zu lassen. Aus Sicht des Käufers sollte der Begriff der Kontamination dahin klargestellt werden, dass auch Verunreinigungen mit nicht gesundheits- und/oder umweltgefährdenden Stoffen, insb mit solchen, deren Deponierung höhere Kosten als ein nicht verschmutztes Erdreich verursacht, miterfasst sind.
Enthält der Kaufvertrag einen Ausschluss der Haftung des Verkäufers für „eine bestimmte Beschaffenheit bzw eine bestimmte Verwendbarkeit der Liegenschaft“, so umfasst dieser Haftungsausschluss auch Verunreinigungen des Bodens mit nicht gesundheits- und/oder umweltgefährdenden Stoffen.132
Fliegerbomben (Blindgänger) fallen nach dem allgemeinen Sprachgebrauch nicht unter den Begriff der „Kontamination“.133
Die in der Praxis des Öfteren anzutreffende Klausel, wonach die Kaufsache „so verkauft wird, wie sie der Verkäufer besessen und benutzt hat bzw zu besitzen und zu benutzen berechtigt war.“ bedeutet keinen wirksamen Gewährleistungsausschluss.134
Das Fehlen der behördlichen Benutzungsbewilligung fällt nicht unter den im Kaufvertrag enthaltenen Gewährleistungsausschluss für „Baumängel“.135 Dasselbe gilt für nicht erfüllte Sanierungsauflagen der Baubehörde als Rechtsmangel.
Die Auslegung eines vertraglichen Gewährleistungsausschlusses für konkret bezeichnete Sachmängel wird meist ergeben, dass damit auch das Anfechtungsrecht wegen eines schuldlos veranlassten Eigenschaftsirrtums abbedungen ist.136
In anderen Fällen können Irrtumsbehelfe grundsätzlich neben Gewährleistungsansprüchen geltend gemacht werden.137
In der Vertragspraxis werden bisweilen vermittelnde Regelungen getroffen, um die Auffassungsunterschiede zwischen Verkäufer und Käufer zu überbrücken: Diese können etwa darin bestehen, dass der Käufer Gewährleistungsansprüche nur insoweit geltend machen kann, als sie einen bestimmten Mindestbetrag überschreiten. Zugleich kann auch eine Höchstgrenze eingezogen werden. Bisweilen wird auch eine Teilung der Mangelbehebungskosten zwischen Verkäufer und Käufer nach einem vertraglich festgesetzten Schlüssel vereinbart. Zugleich kann auch das Thema „neu für alt138“ durch eine derartige Teilungsvereinbarung gelöst werden.
Die Vertragsteile können im Kaufvertrag auf die Anfechtung oder Anpassung eines Vertrags wegen Irrtums im Vorhinein wirksam verzichten.139 Bei grob fahrlässiger Veranlassung des Irrtums ist eine Berufung auf den vertraglich vereinbarten Vorausverzicht jedoch insbesondere dann sittenwidrig, wenn der Irrende selbst nicht in der Lage war, die irrtumsrelevanten Umstände rechtzeitig ausreichend nachzuprüfen.140
Wie bereits erwähnt, können Ansprüche aus Gewährleistung und Irrtumsanfechtung nebeneinander bestehen, sodass ein bloßer Gewährleistungsausschluss allein das Recht zur Anfechtung oder Anpassung des Vertrags wegen Irrtums nicht ausschließen würde. Allerdings kann die Vertragsauslegung im Einzelfall ergeben, dass der Ausschluss der Gewährleistung für einen bestimmten Umstand auch einen Verzicht auf die Irrtumsanfechtung für diesen Umstand beinhaltet, insbesondere wenn es sich um einen schlicht veranlassten Eigenschaftsirrtum handelt (ausgenommen der betreffende Umstand wäre ausdrücklich zugesichert worden).
In der Lit wird die Vertragsklausel, wonach die Parteien „jede Haftung“ ausschließen, dahin interpretiert, dass dann auch Irrtumsanfechtung mit ausgeschlossen ist.141
Auf die Anfechtung des Vertrags wegen Arglist kann grundsätzlich nicht verzichtet werden.142
Vertragliche Haftungsausschlüsse für verschuldete Schäden – hier: Mangelschäden und Mangelfolgeschäden am Kaufobjekt oder im „bloßen Vermögen“ sowie aus der Verletzung von Aufklärungspflichten – sind grundsätzlich zulässig,143 soweit sie nicht im Einzelfall sittenwidrig sind.144
Die Haftung für absichtliche Schadenszufügung kann niemals abbedungen werden. Nach der Rsp kann eine Haftungsfreizeichnung nur für einen Schaden aus den für das Rechtsverhältnis typischen oder wenigstens im Einzelfall nach dessen besonderen Verhältnissen voraussehbaren Gefahren wirksam erfolgen.145 Ansprüche, an welche die Parteien überhaupt nicht denken konnten, sei es, dass der Schaden aus einer nicht voraussehbaren Gefahrenquelle entstanden ist, sei es, dass der Schaden auf einem so krassen Verschulden beruht, dass gesagt werden muss, mit einem derartigen Verhalten könne nach den Erfahrungen des Lebens nicht gerechnet werden146,147, sind von einem Haftungsausschluss nicht umfasst.
Fraglich ist, ob ein Haftungsausschluss bei grober Fahrlässigkeit zulässig ist oder nicht; bei krass grober Fahrlässigkeit werden vertragliche Haftungsausschlüsse als unwirksam angesehen.148 Ein Haftungsausschluss für Personenschäden ist allerdings auch bei leichter Fahrlässigkeit nicht wirksam.149
Das Recht zur Anfechtung von Verträgen wegen Verkürzung über die Hälfte des wahren Wertes gilt seit der Handelsrechtsreform auch für Geschäfte zwischen Unternehmern. Allerdings können Unternehmer auf die Anfechtung wegen Verkürzung über die Hälfte des wahren Werts ohne weiteres vertraglich verzichten150,151.
Zwischen Nichtunternehmern kann die laesio enormis vertraglich nur ausgeschlossen werden, wenn ein Vertragsteil die Kaufsache aus besonderer Vorliebe bewusst überzahlt,152 indem er erklärt, die Sache „aus besonderer Vorliebe um einen außerordentliche hohen Preis zu übernehmen“ oder „wenn er, obgleich ihm der wahre Wert bekannt war, sich dennoch zu dem unverhältnismäßigen Werte verstanden hat“; oder wenn aus dem Verhältnis der Vertragsteile zueinander zu vermuten ist, dass sie einen gemischten (dh entgeltlichen und unentgeltlichen) Vertrag schließen wollten, oder wenn sich der eigentliche Wert nicht mehr ermitteln lässt.153
Die Anfechtung des Vertrags wegen laesio enormis ist nur bei Wertirrtum möglich. Ausgeschlossen ist die Anfechtung, wenn der Verkürzte den wahren Wert der Sache kennt.154 Bei bloßen Zweifeln über den Wert der Sache ist dies nicht der Fall:155
Aus der bloßen Erklärung des Käufers im Kaufvertrag, den wahren Wert der Kaufsache zu kennen und deshalb auf die Anfechtung wegen Verkürzung über die Hälfte zu verzichten, kann nicht ohne weiteres geschlossen werden, dass dem Käufer der wahre Wert tatsächlich bekannt war.156 Dafür, dass dem Verkürzten der wahre Wert bekannt war, ist der andere Vertragsteil beweispflichtig.157
Ist die Kaufsache mangelhaft, ist nach der Rsp für die Wertrelation nicht vom Wert der mängelfreien Sache im Verhältnis zum vereinbarten Kaufpreis, sondern vom Wert der mangelhaften Sache auszugehen.158
Haben die Parteien die Anfechtung wegen Verkürzung über die Hälfte vertraglich ausgeschlossen, so ist auch die Anfechtung unter dem Gesichtspunkt eines gemeinsamen Irrtums über den Wert des Kaufobjekts und damit über die Angemessenheit des Preises unzulässig.159
Die beim Liegenschaftskauf grundsätzlich dreijährige Verjährungsfrist für Gewährleistungsansprüche kann durch vertragliche Vereinbarung verkürzt oder verlängert werden.160
Die Gewährleistungsfrist beginnt mit dem Tag der Übergabe der Kaufsache, bei Rechtsmängeln aber erst mit dem Tag, an dem der Mangel dem Übernehmer bekannt wird.
Eine allzu starke Verkürzung der Gewährleistungsfrist kann, ebenso wie ein Gewährleistungsausschluss, nach Lage des Falls sittenwidrig sein, oder es kann dem Verkäufer „nach Treu und Glauben“ verwehrt sein, sich auf den Ablauf der Gewährleistungsfrist zu berufen.161
Die Verjährungsfrist für die Anfechtung oder Anpassung des Vertrags wegen Irrtums und für Schadenersatzansprüche162 kann nach allgemeinen Grundsätzen vertraglich nur verkürzt, nicht verlängert werden.163 Hat allerdings der andere Vertragspartner den Eintritt der Verjährung arglistig herbeigeführt, so kann der Verjährungseinrede die Replik der Arglist entgegengehalten werden.164
Die dreijährige Verjährungsfrist für die Anfechtung des Vertrags wegen Verkürzung über die Hälfte wird zwischen Unternehmen verkürzt, für Private, die am Vertrag beteiligt sind, hingegen nicht verkürzt werden können.
Will der Verkäufer seine Haftung reduzieren bzw möglichst weitgehend ausschließen, muss er demnach darauf bedacht sein,
dass er (und auch ein von ihm beauftragter Makler) dem Käufer richtige Informationen über das Kaufobjekt gibt,165 und den Energieausweis – soweit gesetzlich vorgeschrieben – vorlegt;
dass er alle negativen Eigenschaften (Mängel) offenlegt, sodass der Käufer nicht auf die Mängelfreiheit des Kaufobjekts vertrauen kann,
wenn „Mängel“ oder nachteilige Eigenschaften vorhanden sind, dass in den Kaufvertrag eine entsprechende, die Erwartungen des Käufers einschränkende Leistungsbeschreibung des Kaufgegenstands aufgenommen wird;166
dass sich der Käufer im vorvertraglichen Verhandlungsstadium verpflichtet, das Kaufobjekt sachkundig zu prüfen bzw prüfen zu lassen („Due Diligence Prüfung“), und der Verkäufer dem Käufer eine solche Prüfung ermöglicht,
dass der Verkäufer vermeidet, dem Käufer ausdrückliche oder schlüssige Zusicherungen über Eigenschaften des Kaufobjekts zu machen, und Einigung darüber erzielt wird, dass Zusagen nur wirksam sind, wenn sie schriftlich vereinbart werden („Schriftformvorbehalt“) und dass mündliche und konkludente Zusagen abbedungen werden.
In Kombination mit einem vertraglich vereinbarten Gewährleistungs-, Haftungs- und Anfechtungsausschluss unter ausdrücklicher Übernahme des Risikos für vom Käufer ggf unerkannt gebliebene oder geheime Mängel lässt sich dann seine Haftung minimieren.
Gleichwohl bewirkt eine „Besichtigungsklausel“ keinen gänzlichen Gewährleistungsausschluss. Nach der Rsp sind generelle oder weitgehende Gewährleistungsausschlüsse (Verzichte) zudem im Zweifel einschränkend auszulegen. Um Vertragssicherheit zu erreichen, sollte die Offenlegung von Mängeln nicht nur mündlich, sondern nachweisbar, dh schriftlich, etwa in der Kaufvertragsurkunde selbst, erfolgen.
Wenn und insoweit Rechtsanwälte und Notare bei Errichtung und Abwicklung von Verträgen für beide Vertragspartner tätig werden167, – also „gemeinsame Vertragsverfasser“ sind – nachstehend kurz „Vertragsverfasser“ genannt“ –, haben sie die Interessen beider Teile wahrzunehmen, selbst wenn sie im Übrigen nur die Bevollmächtigten eines Vertragspartners sind. Wer ein solches Geschäft übernimmt, tritt somit auch gegenüber den Partnern jenes Vertragsteiles, der seine Dienste ausdrücklich erbittet oder in Anspruch nimmt, in ein Verpflichtungsverhältnis: Denn er erweckt durch seine Handlungsweise den Anschein und das Vertrauen, dass er bei der Ausführung des Geschäfts bedacht sein werde, beide Vertragsteile vor Nachteilen zu schützen und für ihre rechtliche Sicherheit zu sorgen. Belehrungs- und Aufklärungspflichten treffen den als Vertragserrichter einschreitenden Rechtsanwalt oder Notar daher allen Vertragspartnern gegenüber.168 Der vertragserrichtende Notar hat den Kaufvertragsparteien eine vollständige Rechtsbelehrung zu erteilen und sie auch über die wirtschaftlichen Auswirkungen des Vertrags und allfällige widrige Folgen aufzuklären.169
Nur dann, wenn sich die Parteien über die Vertragsbestimmungen in unabänderlicher Weise geeinigt haben, sodass der Urkundenverfasser den Vertragsinhalt nur in die entsprechende juristische Form zu bringen und schriftlich niederzulegen hat, kommt eine Haftung des Urkundenverfassers für unterlassene Belehrung über die Vertragsgestaltung nicht in Frage, weil es nicht seine Aufgabe ist, auf eine Änderung des abgeschlossenen Vertrags hinzuwirken.170
Den vertragserrichtenden Notar treffen gegenüber einer anwaltlich vertretenen Partei Belehrungs- und Aufklärungspflichten über die rechtliche Bedeutung und die wirtschaftlichen Auswirkungen der in Aussicht genommenen Vertragsbestimmungen nur bei Vorliegen besonderer Umstände. Dies gilt aber nicht in jenen Fällen, in denen der Notar nicht nur die Vertragsverfassung, sondern auch die treuhändige Abwicklung des Kaufvertrags über eine Liegenschaft samt Verbücherung übernimmt.171
Wie weit die Aufklärungs- und Belehrungspflicht des Vertragsverfassers jeweils reicht, hängt von den Umständen des Einzelfalls ab. Wenngleich in einem speziell gelagerten Fall die Haftung eines Vertragsverfassers, der die Bodenbeschaffenheit der Kaufliegenschaft nicht abgeklärt hatte, verneint wurde,172 lässt sich dies mE nicht verallgemeinern: Denn der Vertragsverfasser hat die für die Vertragsgestaltung relevanten Umstände abzuklären – also sich primär von den Parteien darüber informieren zu lassen, eventuell eigene Erhebungen im Grundbuch oder anderen öffentlich zugänglichen Büchern durchzuführen, um eine ausreichende Informationsbasis für eine sachgerechte Vertragsgestaltung zu erlangen. Insb wenn ein Vertragsteil Gewährleistungsbeschränkungen oder Haftungsausschlüsse wünscht, hat der Vertragsverfasser den anderen Vertragsteil auf die für ihn damit verbundenen Nachteile oder Risken hinzuweisen: Denn der Vertragsverfasser hat ja gemäß seiner Belehrungspflicht – siehe oben – die Parteien vor Nachteilen zu schützen und sie über die wirtschaftlichen Auswirkungen des Vertrags und allfällige widrige Folgen aufzuklären. Um hier einen Interessensausgleich herbeizuführen und durch einen Haftungsausschluss nicht einer Partei für sie nicht überblickbare Nachteile vorzuschlagen oder zu empfehlen, wird der Vertragsverfasser oft die Beiziehung von Sachverständigen und die Durchführung einer Due-Diligence-Prüfung vorschlagen müssen, damit die betreffende Partei die Risken quantifizieren und die Auswirkungen eines Haftungsausschlusses beurteilen und somit sachkundig entscheiden kann, ob sie der vom Vertragspartner gewünschten Vertragsgestaltung zustimmen soll.
Über den Autor:
Rechtsanwalt Univ.-Prof. Dr. Johannes Reich-Rohrwig ist Partner von CMS Reich-Rohrwig Hainz Rechtsanwälte GmbH, Wien, und lehrt am Juridicum der Universität Wien Unternehmens- und Gesellschaftsrecht.