Abstract. Liegenschaftskaufverträge enthalten häufig Vertragsklauseln, deren Bedeutung und Reichweite unterschiedlich interpretiert werden kann1. Dies hat mich dazu veranlasst, eine Umfrage unter mehr als 1.000 Juristen (Notaren und Rechtsanwälten)2 durchzuführen, um zu klären, wie die Vertragsbestimmungen tatsächlich verstanden werden. Hier das Ergebnis meiner Umfrage.
Anfang Jänner 2016 startete ich die Umfrage und versandte Fragebögen an die Berufsangehörigen. In meinem Begleitbrief führte ich erläuternd aus:
"Im Zuge der Verfassung eines Artikels zum Thema der Haftungsausschlüsse in Liegenschaftskaufverträgen habe ich festgestellt, dass einige Vertragsklauseln in der Vertragspraxis häufig verwendet werden. Ich bin mir allerdings nicht sicher, ob jeder Vertragsverfasser mit solchen Klauseln dasselbe meint. Oder mit anderen Worten: Das Verständnis über die Reichweite solcher Klauseln kann höchst unterschiedlich sein. [...] Durch die Umfrage soll das in der Vertragspraxis vorherrschende Verständnis dieser Vertragsklauseln empirisch festgestellt werden."
Ich kündigte an, das Ergebnis der Umfrage zu publizieren, und sicherte allen Teilnehmern ausdrücklich Anonymität zu. 365 Juristen sandten mir die ausgefüllten Fragebogen zu. Die Rücklaufquote betrug demnach 35 %3.
An dieser Stelle möchte ich mich ganz herzlich bei all jenen Juristinnen und Juristen bedanken, die sich der Mühe unterzogen haben, die gestellten Fragen zu beantworten. Einige der Teilnehmer der Umfrage äußerten sich ausgesprochen positiv, indem sie die Idee der Umfrage begrüßt haben und "mit Interesse auf das Ergebnis warten". Einige Teilnehmer erwähnten, dass sie schon durch die Beantwortung der Fragen einige Denkanstöße für die Vertragsgestaltung erhalten haben. In Punkt E dieses Beitrags wird darauf nochmals zurückzukommen sein.
Der Text des Fragebogens lautete:
"Fragestellung: Nachgefragt wird das Verständnis der Vertragsklauseln, die in einem Kaufvertrag über eine Liegenschaft ohne oder mit einem darauf errichteten Gebäude enthalten sind.
Nach der jeweiligen Vertragsklausel [...] werden jeweils mehrere mögliche Antworten angeboten. Bitte kreuzen Sie den Ihres Erachtens zutreffenden Bedeutungsinhalt der jeweiligen Vertragsklausel an oder fügen Sie den Ihrer Meinung nach richtigen Bedeutungsinhalt am dafür vorgesehenen Platz handschriftlich ein. Auch das Ankreuzen mehrerer Antwortmöglichkeiten ist zulässig. [...]
Vertragsklausel 1:
Der Verkäufer haftet nicht für eine bestimmte Eigenschaft des Kaufgegenstandes.
a) Mit dieser Klausel ist ein genereller Gewährleistungs- und Haftungsausschluss des Verkäufers gemeint.
b) Diese Klausel bringt nur zum Ausdruck, dass der Verkäufer dem Käufer zwar über die gewöhnlich vorausgesetzten Eigenschaften hinaus keine bestimmten Eigenschaften zugesichert hat, dass aber die gesetzliche Gewährleistung des Verkäufers für die im redlichen Verkehr gewöhnlich vorausgesetzten Eigenschaften dadurch nicht eingeschränkt oder aufgehoben ist.
c) Meines Erachtens bedeutet diese Vertragsklausel, dass [eigene Antwort].
d) Diese Vertragsklausel ist unklar.
e) Keine Angabe
Vertragsklausel 2:
Der Käufer erwirbt die Liegenschaft so, wie sie der Verkäufer bisher besessen hat bzw zu besitzen und zu benutzen berechtigt war.
a) Diese Klausel stellt auf den Besitz des Verkäufers ab und soll dem Käufer den bisherigen Besitz des Verkäufers zurechnen, was für die Ersitzungszeiten gemäß § 1493 ABGB von Bedeutung ist.
b) Diese Klausel stellt einen Gewährleistungsausschluss des Verkäufers dar.
c) Diese Klausel überbindet dem Käufer der Liegenschaft Verpflichtungen des Verkäufers, ohne diese allerdings zu nennen.
d) Meines Erachtens bedeutet diese Vertragsklausel, dass [eigene Antwort].
e) Diese Vertragsklausel ist unklar.
f) Keine Angabe
Vertragsklausel 3:
Jede Haftung des Verkäufers für Mängel des Kaufgegenstandes wird vereinbarungsgemäß ausgeschlossen.
a) Dieser Haftungsausschluss umfasst sowohl Sach- als auch Rechtsmängel.
b) Dieser Haftungsausschluss umfasst nur Sachmängel.
c) Diese Klausel schließt nur die Haftung des Verkäufers aus Gewährleistung aus.
d) Diese Klausel schließt neben der Gewährleistung auch die Anfechtung oder Anpassung des Kaufvertrages wegen eines vom Verkäufer unverschuldet veranlassten Geschäftsirrtums des Käufers aus.
e) Diese Klausel schließt neben der Gewährleistung auch die Anfechtung oder Anpassung des Kaufvertrages wegen eines vom Verkäufer, sei es unverschuldet, sei es leicht fahrlässig, veranlassten Geschäftsirrtums des Käufers aus.
f) Diese Klausel umfasst auch einen Ausschluss der Haftung des Verkäufers für Mangelfolgeschäden.
g) Meines Erachtens bedeutet diese Vertragsklausel, dass [eigene Antwort].
h) Diese Vertragsklausel ist unklar.
i) Keine Angabe"
Einzelne Teilnehmer haben - völlig zutreffend - darauf hingewiesen, dass die Vertragsklauseln für sich betrachtet unklar sein können, aber im Gesamtzusammenhang mit dem übrigen Vertragstext und/oder den Vorgesprächen/Vertragsverhandlungen/Umständen durch Erforschung der Absicht der Parteien zu interpretieren sind und dann ggf ein vom Wortlaut abweichendes Interpretationsergebnis erzielt wird4. Mir war klar, dass dies naturgemäß eine Schwäche einer derartigen schriftlichen Befragung über das Verständnis von Vertragsklauseln ist. Dennoch bewirkt diese Umfrage sicherlich Positives: Sie macht die Mehrdeutigkeit/Unklarheit/Unverständlichkeit der jeweiligen Vertragsklausel für den Juristen besser sichtbar und schärft den Blick für die sprachliche Genauigkeit beim Abfassen solcher Verträge.
Vorauszuschicken ist ferner, dass die Umfrage auf jene Fälle, in denen die Gewährleistung und Haftung des Verkäufers nicht ausgeschlossen werden kann - etwa wenn der Verkäufer Unternehmer und der Käufer Verbraucher iSd KSchG oder der Verkäufer Wohnungseigentumsorganisator ist -, und auf die Pflichten aus dem Energieausweis-Vorlage-Gesetz 2012 (EAVG 2012) nicht eingeht. Bei der Umfrage war es zulässig, zu jeder Frage auch zwei oder mehrere Antwortmöglichkeiten als zutreffend anzukreuzen. Die Teilnehmer hatten die Möglichkeit, eine von den vorformulierten Antwortmöglichkeiten abweichende Bedeutung der Vertragsklausel anzugeben. Des Weiteren gab es auch die Möglichkeit, die Vertragsklausel als "unklar" zu bezeichnen oder "keine Angabe" zu machen. Davon haben viele Teilnehmer auch tatsächlich Gebrauch gemacht.
In Hinblick auf die Möglichkeit, zu jeder Frage auch zwei oder mehrere Antworten zu geben, ergibt sich, dass die bei jeder Antwortmöglichkeit angegebenen Prozentsätze, wenn man sie addiert, 100 % überschreiten können. Nachstehend gehe ich auf die einzelnen Vertragsklauseln ein und werte die eingelangten Antworten aus.
Die erste Vertragsklausel lautete: "Der Verkäufer haftet nicht für eine bestimmte Eigenschaft des Kaufgegenstandes."
Die Teilnehmer der Befragung gaben zu dieser Klausel folgendes Verständnis an:
Ad a) 18 % verstanden diese Klausel als generellen Gewährleistungs- und Haftungsausschluss des Verkäufers.
Ad b) 70 % waren der Auffassung, dass diese Klausel nur zum Ausdruck bringt, dass der Verkäufer dem Käufer zwar über die gewöhnlich vorausgesetzten Eigenschaften hinaus keine bestimmten Eigenschaften zugesichert hat, dass aber die gesetzliche Gewährleistung des Verkäufers für die im redlichen Verkehr gewöhnlich vorausgesetzten Eigenschaften dadurch nicht eingeschränkt oder aufgehoben ist.
Ad c) Folgende selbst formulierte Antworten wurden gegeben: Danach bedeute diese Vertragsklausel
Ad d) Knapp 24 % bezeichneten diese Vertragsklausel als "unklar".
Ad e) 0,3 % machten zu dieser Klausel keine Angabe. Meines Erachtens - und damit befinde ich mich in Übereinstimmung mit der Mehrheit der Antworten und einer OGH-Entscheidung5, allerdings im Gegensatz zu drei weiteren OGH-Entscheidungen6 - bedeutet die gegenständliche Vertragsklausel nur, dass für den Kaufgegenstand keine speziellen ("bestimmten") Eigenschaften ausdrücklich oder vermöge der Natur des Geschäfts stillschweigend bedungen wurden. Hingegen ist mit dieser Klausel die gesetzliche Gewährleistung des Verkäufers für "gewöhnlich vorausgesetzte Eigenschaften" und für die Eigenschaften des Kaufobjekts gemäß seiner Beschreibung (§§ 922 und 923 ABGB) vertraglich nicht ausgeschlossen. Als ausdrücklich oder schlüssig bedungene Eigenschaften können Qualitäten (zB ein besonders guter Erhaltungszustand, die Ausstattung oder bautechnische Ausführung) etwa durch Beschreibung des Bauzustands in einem Gutachten nach § 37 Abs 4 WEG7 oder in einer Informationsbroschüre8, 9 oder Quantitäten (zB die Größe eines Grundstücks10) bedungen sein.
Bei der in Rede stehenden Vertragsklausel bleibt demnach die gesetzliche Gewährleistung des Verkäufers für "gewöhnlich vorausgesetzte Eigenschaften" der Liegenschaft wie etwa
die Freiheit einer Wohnung von gesundheitsschädlichen Substanzen11,
die Errichtung eines Einfamilienhauses auf "gewachsenem Boden" und nicht etwa auf einer Bauschuttdeponie12 oder
die Freiheit einer zum Zweck des Hausbaus gekauften Liegenschaft von massiven Kontaminationen13 aufrecht. Mit dieser Vertragsklausel sind auch öffentlich gemachte Äußerungen des Übergebers (oder seiner Gehilfen, etwa des Maklers) in der Werbung oder in Informationsunterlagen nicht abbedungen14; das Abbedingen derartiger unrichtiger Angaben müsste wohl ausdrücklich unter Richtigstellung der unrichtigen Angaben erfolgen15.
Die zweite Vertragsklausel lautete: "Der Käufer erwirbt die Liegenschaft so, wie sie der Verkäufer bisher besessen hat bzw zu besitzen und zu benutzen berechtigt war."
Das Verständnis dieser Vertragsklausel wurde von den Teilnehmern wie folgt angegeben:
Ad a) 51 % bejahten die Antwort, dass diese Klausel auf den Besitz des Verkäufers abstellt und dem Käufer den bisherigen Besitz des Verkäufers zurechnen solle, was für die Ersitzungszeiten gem § 1493 ABGB von Bedeutung sei.
Ad b) Für 22 % stellt diese Klausel einen Gewährleistungsausschluss des Verkäufers dar.
Ad c) 10 % sahen in dieser Klausel eine Überbindung der Verpflichtungen des Verkäufers auf den Käufer der Liegenschaft, ohne diese Verpflichtungen allerdings zu nennen.
Ad d) Folgende selbst formulierte Antworten wurden gegeben: Danach bedeute diese Vertragsklausel,
Ad e) 18 % der Antworten sahen diese Vertragsklausel als "unklar" an.
Ad f) 0,8 % machten "keine Angabe". Eigene Meinung: Die überwiegende Zahl der Antworten (51 %) stellt mE zutreffend auf eine Zurechnung des Besitzes des Verkäufers für die Ersitzungszeiten ab, was gem § 1493 ABGB sicherlich zutrifft, und zwar auch bei Einzelrechtsnachfolge, wie dies ja beim Kauf einer Liegenschaft der Fall ist.16,17
22 % der Antworten sahen in der gegenständlichen Klausel einen Gewährleistungsausschluss des Verkäufers. Demgegenüber hat die Judikatur bereits zwei Mal ausgesprochen, dass diese Klausel nicht als Gewährleistungsausschluss interpretiert werden kann. Das ist mE auch zutreffend, weil dies der Klausel nicht zu entnehmen ist; in diese Richtung ist sie zu undeutlich, also zu unbestimmt (§ 869 ABGB).
Die Judikatur18 versteht die gegenständliche Vertragsklausel dahin, dass sie als Übertragung des Servitutsrechts des herrschenden Guts(!) auf den Käufer der herrschenden Liegenschaft aufzufassen ist. Das ist zutreffend, weil die Vertragsklausel vom Erwerb der Liegenschaft, "so wie sie der Verkäufer bisher besessen hat bzw zu besitzen und zu benützen berechtigt war", spricht. Zur gegenteiligen Auffassung, dass darunter auch die Überbindung der Verpflichtungen aus einem Servitutsvertrag auf den Eigentumserwerber der dienenden Liegenschaft zu verstehen wäre - wie dies 10 % der Befragten annahmen -, gibt mE der Wortlaut der Vertragsklausel nichts her und ist in diese Richtung völlig unbestimmt. Einer der Befragten formulierte: "Auf gar keinen Fall kann damit die Überbindung von Verpflichtungen auf den Käufer gemeint sein." Wenn die Vertragsklausel hingegen dahin lautet, dass die Liegenschaft "mit allen Rechten und Pflichten [Verbindlichkeiten], mit denen der [Veräußerer] den Vertragsgegenstand besessen und benützt hatte", erworben wird, so bedeutet dies auch die Überbindung der Servitut als Last (Verpflichtung) auf den Käufer, wie der OGH19 zutreffend ausgesprochen hat.
"Jede Haftung des Verkäufers für Mängel des Kaufgegenstandes wird vereinbarungsgemäß ausgeschlossen."
Ad a) 44 % erblickten in dieser Klausel einen Haftungsausschluss sowohl für Sach- als auch Rechtsmängel.
Ad b) 23 % meinten hingegen einschränkend, dass dieser Haftungsausschluss nur Sachmängel umfasst.
Ad c) Nach Auffassung von 24 % der Teilnehmer schließt diese Klausel nur die Haftung des Verkäufers aus Gewährleistung aus.
Ad d) 2,7 % hielten es hingegen für richtig, dass diese Klausel neben der Gewährleistung auch die Anfechtung oder Anpassung des Kaufvertrags wegen eines vom Verkäufer unverschuldet veranlassten Geschäftsirrtums des Käufers ausschließt.
Ad e) 17 % sahen in dieser Klausel neben einem Ausschluss der Gewährleistung auch einen Ausschluss der Anfechtung oder Anpassung des Kaufvertrags wegen eines vom Verkäufer, sei es unverschuldet, sei es leicht fahrlässig, veranlassten Geschäftsirrtums des Käufers.
Ad f) Nach Auffassung von 21 % umfasst diese Klausel auch den Ausschluss der Haftung des Verkäufers für Mangelfolgeschäden.
Ad g) Folgende selbstformulierte Antworten wurden gegeben: Danach bedeute diese Vertragsklausel
Ad h) 32 % der Teilnehmer sahen die Klausel als "unklar" an.
Ad i) 1,9 % machten keine Angabe zu dieser Klausel. Eigene Meinung: Die gegenständliche Vertragsklausel bedeutet mE einen umfassenden Haftungs- und Anfechtungsausschluss für Mängel, Mangelschäden, Mangelfolgeschäden, culpa in contrahendo und Irrtumsanpassung und -anfechtung20, im B2B-Geschäft auch den Ausschluss der Anfechtung des Vertrags wegen Verkürzung über die Hälfte des wahren Werts - im gesetzlich weitestgehend zulässigen Umfang. Denn das Wort "jede" ist umfassend, schließt also auch andere Anspruchsgrundlagen mit ein, und der Ausdruck "Haftung" geht über den Begriff "Gewährleistung" hinaus21. Die Klausel ist aber aufgrund ihrer geringen inhaltlichen Präzisierung nicht empfehlenswert.
Insbesondere aufgrund der Vorgespräche kann die Vertragsauslegung dieser Klausel mE allerdings dazu führen, dass unter den Haftungsausschluss der gegenständlichen Vertragsklausel nur Sachmängel fallen oder zumindest für grundlegende Rechtsmängel - wie die Verschaffung des Eigentums und Geldlastenfreiheit der gekauften Liegenschaft - Gewähr zu leisten ist.
Die eingelangten Antworten machen klar, dass die Befragten die erörterten Vertragsklauseln zum Teil höchst unterschiedlich auffassen: Während für Vertragsklausel 1 70 % ein übereinstimmendes Verständnis hatten - allerdings war diese Vertragsklausel für immerhin 24 % unklar -, vergrößert sich das Spektrum unterschiedlicher Auffassungen bei den Vertragsklauseln 2 und 3: Zwar trifft bei Vertragsklausel 2 das erstgenannte Vertragsverständnis (a) auf die Zustimmung von immerhin mehr als 51 % der Antworten. Im Übrigen gehen aber die Antworten weit auseinander.
Bei Vertragsklausel 3 ("Jede Haftung des Verkäufers für Mängel [...] ausgeschlossen)" herrscht große Unsicherheit, wie weit dieser Haftungsausschluss tatsächlich reicht: nämlich ob er nur die Gewährleistung für Sach- oder auch für Rechtsmängel oder auch für Mangelschäden, die Anfechtung des Vertrags wegen eines schuldlos oder schuldhaft verursachten Irrtums, Mangelfolgeschäden oder allenfalls auch die Haftung aus culpa in contrahendo22 ausschließt oder nicht.
Ein Teilnehmer hatte mir in seinem Begleitbrief geschrieben, dass sich die in der Umfrage angesprochenen Vertragsklauseln "aus dem Zeitalter mechanischer Schreibmaschinen", als man "um besonders knappe Formulierungen bemüht war, bis in die Gegenwart herübergerettet haben". Dieses auf den Schreibaufwand abstellende, also aus der Sicht des Vertragsverfassers "betriebswirtschaftliche Argument" sollte allerdings nicht ausschlaggebend dafür sein, Vertragsklauseln kurz und unklar statt länger, aussagekräftig und eindeutig zu formulieren.
In einer weiteren Zuschrift meinte einer der Befragten zur gegenständlichen Umfrage: "Da ich im Wesentlichen ausschließlich mit der Vertragserrichtung im Liegenschaftsrecht befasst bin, begrüße ich Ihr Engagement. Insbesondere wurde mir auch erst durch Ihren Fragebogen klar, dass auch meine standardisierten oder zumindest häufig verwendeten Vertragsbestimmungen möglicherweise einer weiteren Überprüfung bzw Klarstellung bedürfen.
Insbesondere bei der Vertragsklausel Nr 2, die sich meines Erachtens nahezu in allen Kaufverträgen über Liegenschaften findet, manifestiert sich, dass auch für eine rechtskundige Person [...] ein großer Interpretationsspielraum besteht. Es würde mich daher interessieren, welche Ratio man aus dieser Umfrage ziehen kann." Diese Zuschrift bringt die Fragestellung auf den Punkt:
Die hier erörterten Vertragsklauseln haben mE "Optimierungspotenzial". Oder im Klartext: Man könnte deren Regelungsinhalt - Umfang und Reichweite - viel besser, mit klareren Worten und eindeutig zum Ausdruck bringen.
Dabei sollten Vertragsverfasser auch bemüht sein, nicht nur "Alles-oder-nichts-Lösungen" - nämlich einen gänzlichen Haftungsausschluss oder keinen - anzubieten: Dies entspricht mE nicht einer vernünftigen Beratung der Vertragsteile. Der gemeinsame Vertragsverfasser hat ja Käufer und Verkäufer vor rechtlichen und wirtschaftlichen Nachteilen zu schützen. Wer ein Haus oder eine Eigentumswohnung erwirbt, kann zwar verständlicherweise nicht erwarten, dass altersbedingte Mängel, Abnützungserscheinungen oder kleinere Mängel nicht vorhanden wären. Allerdings braucht der Käufer normalerweise nicht mit Unbrauchbarkeit, grundlegenden Mängeln oder massiven baulichen Unzukömmlichkeiten rechnen, sofern ihm diese nicht mitgeteilt werden oder sich diese nicht im Zuge einer Besichtigung oder einer vereinbarten, vom Käufer vorzunehmenden Due-Diligence-Prüfung (unter Beiziehung von Fachleuten) erkennen lassen.
Neben den erkannten und erkennbaren Mängeln bleibt dann noch die "Teilmenge" der "nicht erkennbaren" oder "geheimen" ("verdeckten") Mängel und "ungewöhnlichen Mängel"23: Ob dieses Risiko des Vorhandenseins geheimer oder ungewöhnlicher Mängel mit einer vertraglichen Haftungsausschlussregelung in die Risikosphäre des Käufers überbunden werden soll, sollte vertraglich explizit angesprochen werden. Dasselbe gilt für Eigenschaften von Grund und Boden, insbesondere im Zusammenhang mit Verunreinigungen, Altlasten oder Kriegsrelikten24.
IZm Haftungsausschlussklauseln, die die "Gewährleistung" des Verkäufers ausschließen, ist auch daran zu erinnern, dass der Käufer den Verkäufer auch unter einem anderen Rechtstitel in Anspruch nehmen könnte, etwa nach Irrtumsrecht, aus culpa in contrahendo, aus dem Titel des Schadenersatzes für Mangelschäden und Mangelfolgeschäden25, wegen Verkürzung über die Hälfte. Dies sollte bei einer Freizeichnung des Verkäufers mitbedacht werden. Zu den Strategien zur Haftungsvermeidung des Verkäufers siehe schon meinen Beitrag im Dezember-Heft der Notariatszeitung26.
Allerdings ist zu bedenken, dass, je umfassender die Haftung des Verkäufers ausgeschlossen wird - ohne die Mängel oder Risken, die der Käufer übernimmt, explizit vertraglich offenzulegen -, Vertragsregelungen umso eher als sittenwidrig zu beurteilen sind. Die Judikatur behilft sich in diesen Fällen des Öfteren mit der "im Zweifel einschränkenden Interpretation" von Haftungsausschlüssen27 und mit konkludenten Eigenschaftszusagen, die dann einem allgemeinen Gewährleistungsausschluss vorgehen28.
Im Gegenzug für einen generellen Gewährleistungsausschluss könnte der Kaufvertrag als wirtschaftliches "Trostpflaster" für den Käufer auch regeln, dass der Verkäufer seine Gewährleistungs- und Schadenersatzansprüche gegen den Baumeister, Professionisten und ggf gegen den Voreigentümer des Verkäufers an den Käufer abtritt (sofern solche [noch] bestehen)29. Auf diese Weise kann sich dann der Käufer ggf für die von ihm mit dem vertraglichen Haftungsausschluss übernommenen Schäden und Risken wenigstens bei diesem Personenkreis regressieren30. Dies wäre ein (teilweiser) wirtschaftlicher Ausgleich für den Käufer.
Abschließende Bemerkung: Wir Juristen sollten die Grenzen unserer Fachkompetenz erkennen. Wenn jemand (hier: der Käufer) Beträge von einigen hunderttausend Euro bis zu Millionenbeträge bezahlt - wie dies bei Liegenschaftskaufverträgen regelmäßig der Fall ist -, ist es wohl ratsam, dem Käufer (Kaufinteressenten) zunächst eine Kaufprüfung (Due-Diligence-Prüfung) unter Beiziehung von Fachleuten nahezulegen, weil er sich auf diese Weise weitgehend Gewissheit über den Kaufgegenstand verschaffen kann. Dies dient seiner eigenen Sicherheit, aber zugleich auch der Sicherheit des Verkäufers, weil dann der Umfang der "offenkundigen Mängel", für die der Verkäufer schon kraft Gesetzes nicht einstehen muss (§ 928 ABGB), wesentlich größer ist, weil nun dem Käufer das Wissen um die für einen Fachmann erkennbaren Mängel und Schäden zuzurechnen ist31. Dies erhöht die Vertragsstabilität und dient der Vermeidung künftiger Rechtsstreite32.
Zum Autor
Rechtsanwalt Univ.-Prof. Dr. Johannes Reich-Rohrwig ist Partner von CMS Reich-Rohrwig Hainz Rechtsanwälte GmbH, Wien, und lehrt am Juridicum der Universität Wien Unternehmens- und Gesellschaftsrecht.